Wilhelm Genazino ist gestorben

von Jörg Jacob

 

Zwischen Bücherstapeln, in der Buchhandlung, mitten im vorweihnachtlichen Trubel erreichte mich ein Anruf mit der traurigen Nachricht: Genazino ist tot.

 

Wilhelm Genazino, der Flaneur, der desillusionierte und dennoch stets wohlwollende Beobachter unserer Alltagswelten, der Schöpfer ebenso trauriger wie sympathischer Helden hat sich still und leise verabschiedet. Theaterdonner war seine Sache nie. Eher die Stille und Langsamkeit, denn der sezierende Blick ist gründlich, nimmt sich Zeit und Ruhe. Und Genazino hat sich die Freiheit genommen, genau so zu schreiben: keine Furcht vor Langeweile und Melancholie, nicht vor Gelächter, nicht vor Trauer. Ich werde ihn vermissen. Und ich werde jetzt eine kleine Lampe einschalten, um das langsame Dunklerwerden des Winternachmittags ein wenig aufzuhellen. Ich werde „Ein Regenschirm für diesen Tag“ aus dem Regal ziehen und wieder einmal meinem Lieblings-Genazino-Roman lesen. jj

 

Wilhelm Genazino, Büchner-Preisträger, Autor zahlreiche Romane. Zuletzt erschien von ihm „Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze“.