Andreas Reimann zum 70. Geburtstag

»Vom Wunderkind zum Geheimtipp, zu einem der unbekanntesten, aber bedeutendsten Lyriker der ›sächsischen Schule‹«. Karl Corino

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Prospekt Andreas Reimann
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Andreas Reimann (2010) / Foto: Peter Hinke
Andreas Reimann (2010) / Foto: Peter Hinke

"Andreas Reimann wurde geboren am 11. 11. 1946 in Leipzig als Sproß einer Dynastie zeichnender Schreiber und schreibender Zeichner, einer Leipziger Künstlerfamilie im 20. Jahrhundert, in Leipzig also, ›einer den Musen bitteren Stadt‹, die er in  vielen seiner Gedichte als sein ›hiesiges Land‹, also Vaterland nennt, mit dem er auf Grund des dort herrschenden Staates, in Zwist und Streit geraten mußte, Land, an dem er litt, weil es ihn ausgrenzen wollte, politisch wegen widersetzlichen Charakters, moralisch wegen Liebe zum gleichen Geschlecht, und eben überhaupt, weil er schrieb und zeichnete, was die Behörde lieber beschlagnahmte und in Akten verschloß, als es der Öffentlichkeit preiszugeben. Ja, die Zustände sind ihm alles andere als freundlich gesinnt, und man versteht, daß er sich ihnen verweigert oder entzieht, spöttisch und bitter, lästernd und listig, nicht ohne Federn zu lassen." (aus Gerhard Wolf: Auf der Suche nach einem Land. Laudatio zum Leipziger Literaturstipendium 2000 für Andreas Reimann) -

 

Am Anfang stand Verlust: Der Vater, selbst Autor und Illustrator, der DDR-Staatssicherheit ein Dorn im Auge, kam 1955 unter bis heute nicht geklärten Umständen in Westberlin ums Leben, seine Mutter verübte bereits ein Jahr zuvor Selbstmord. Andreas kam ins Waisenhaus, später lebte er bei seiner Großmutter Thea Reimann-Weide. 1957 schrieb er »Sturm«, sein erstes Gedicht. Es folgten Rundfunksendungen, Auszeichnungen und 1961 erste Veröffentlichungen im »Neuen Deutschland« und im »Sonntag «. Da er nicht zur Oberschule zugelassen wurde, absolvierte er eine Schriftsetzerlehre. In Folge einer vieldiskutierten Gedichtveröffentlichung im ND 1965 wurde er von Georg Maurer, Dozent für Poesie, ans Leipziger Literaturinstitut zum Studium eingeladen. Im Dezember des Jahres fand das 11. Plenum des ZK der SED statt, das »Linientreue« der Kulturschaffenden der DDR einforderte. Der Direktor des Instituts, Prof. Max Walter Schulz, entschied daraufhin die Exmatrikulation Reimanns, da dieser sich den offiziellen Vorgaben nicht anpassen wollte. Sein erster Gedichtband »Kontradiktionen«, der 1966 beim Hinstorff Verlag Rostock veröffentlicht werden sollte, durfte nicht erscheinen. 1968 protestierte Reimann gegen die Niederschlagung des »Prager Frühlings«, das Ministerium für Staatssicherheit ordnete daraufhin seine Verhaftung an. In Folge verfasste Prof. Max Walter Schulz für das MfS eine politische Einschätzung des Studenten, die sich in die Schlußfolgerung verstieg: »Aber es erweist sich erneut, daß ein Talent, das über den Zinnen der  Partei zu stehen gedenkt, sich selbst zerstört.« Unter anderem auch aufgrund dieser Beurteilung wurde Andreas Reimann zu einer zweijährigen Haft strafe wegen »staatsfeindlicher Hetze« verurteilt. 1971, ein Jahr nach der Haftentlassung, setzte sich Max Walter Schulz – gegen den Widerstand des MfS – für seine Rehabilitierung  als Dichter ein, der nun sein Brot als Lager- und Transportarbeiter, als Brauerei-Hilfsarbeiter und Lohnbuchhalter  verdiente. Erst 1975 erschien »Die Weisheit des Fleischs«, sein erster Gedichtband, im Mitteldeutschen Verlag, die Lektoren Gerhard Wolf und Heinz Czechowski hatten, trotz aller staatlichen Bedenken, die Veröffentlichung durchgesetzt. Die erste Auflage war bald vergriff en, zwei Nachdrucke folgten. Auch wenn das Buch seinerzeit große Aufmerksamkeit bei den Lesern erregte, fand es keinen Platz in der offiziellen DDR-Literatur. 1979 erschien, ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag, sein zweiter Gedichtband »Das ganze halbe Leben«. Andreas Reimann bekam  von verschiedenen Verlagen Nachdichtungsaufträge, jedoch weitere geplante literarische Buchprojekte wurden von den Verlagen abgelehnt, auch weil der Dichter sich den Eingriff en der Zensur verweigerte. So waren die 70er und auch 80er Jahre geprägt von Ausflügen in die »heitere Muse«: er schrieb Songs und Chansons, textete u. a. für Liedermacher wie Bettina Wegner und Stefan Krawzcyk und die Rockgruppe »Lift «. Er betrieb dieses  Metier mit einem Anflug von Galgenhumor und Ironie, seine Überlebensstrategie um auch schwierige Situationen zu meistern, »den Abstürzen in Lust und Wollust, Krisen und Gnade der Sucht, zu entkommen«, wie er es selbst nannte. Trotz aller Widrigkeiten kam für ihn eine Ausreise aus der DDR nicht in Frage. Erst 1995 erschien mit »Das Sonettarium« (Connewitzer Verlagsbuchhandlung) wieder ein größeres, eigenständiges Buch von Andreas Reimann, es folgten u. a.»Vom haltbaren Jonas« (Forum Verlag, 1999), »Die männlichen Zeitalter« (Konkursbuch Verlag, 2001), »Zwischen den Untergängen« (Faber und Faber, 2004) und »Der trojanische Pegasus« (MDV, 2006) In der Connewitzer Verlagsbuchhandlung erscheint nun seit 2011 eine Werkausgabe seiner Veröffentlichungen. / Peter Hinke

 

 

Zum Geburtstag erscheint Band 1 der Werke in Einzelausgaben

 

» Kontradiktionen«  Gedichte 1964 – 1966.

Die neuen Leiden der jungen Lyrik - Essay, Diskussion, Essay 1974 – 1976.

Band 1 der Werke Andreas Reimanns - gefördert von der Andreas Reimann Gesellschaft e.V.

schön gebunden, 160 Seiten

ISBN 978-3-937799-77-3  20,00 Euro

 

„Kontradiktionen“ beinhaltet den ersten Gedichtband Andreas Reimanns, der ursprünglich bereits 1966 ediert werden sollte, aber aus politischen Gründen seinerzeit nicht erschien. Neben dieser Erstveröffentlichung nach 50 Jahren sind in diesem Buch Essays aus der Zeitschrift „Sinn und Form“ versammelt sowie damit im Zusammenhang stehende Diskussionsbeiträge verschiedener Autoren.

 

Das Buch ist die späte Wiederentdeckung des Debüts eines der wichtigsten deutschen Dichter der Gegenwart und ein spannendes Zeitdokument der Literaturgeschichte der DDR.

 

 "Gedichte vergleichbarer Intensität, die die >verfluchte narbe aus zement< zum Thema erheben, sucht man in der deutschen Lyrik dieser Zeit vergebens. Diese literaturgeschichtlich erheblichen Leistungen der Lyrik dieses Dichters harren nach wie vor des Eingangs in historische Aufarbeitungen.(…)Sie gehen über das in diesen Jahren florierende Protest-Pathos im Namen der Jugendlichkeit eines Volker Braun, Wolf Biermann oder Rainer Kirschs deutlich hinaus. Die Ich-Ansagen sind keine rhetorischen Konstrukte, sondern gesättigt mit existentiellen Kontradiktionen des Lebens auf Messers Schneide." Peter Geist

 

Weiterlesen: Andreas Reimann und seine Bücher

 

 

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