Wir erinnern: Leipzig, 4.12.1943

Flakscheinwerfer am Augustusplatz (Foto:CVB-Archiv)
Flakscheinwerfer am Augustusplatz (Foto:CVB-Archiv)

Heute vor 76 Jahren wurde die Stadt Leipzig zwischen 3:58 Uhr und 4:14 Uhr vom stärksten Bombenangriff in ihrer Geschichte getroffen. 432 englische Bomber warfen insgesamt 311 Minen, 451 Spreng-, 313 große und 12.550 kleine Phosphorbomben sowie 281.035 Stabbrandbomben über der Stadt ab.

Fast 20.000 Gebäude wurden zerstört oder beschädigt, 140.000 Menschen wurden obdachlos und es gab zwischen 1.600 und 2.000 Tote. Bis heute kann man noch in der Stadt die Spuren dieser Nacht sehen.  Auch für die Buchstadt Leipzig mit ihrem Grafischen Viertel war diese Feuernacht ein Schlag, von dem sie sich nie wieder erholte.

 

 

Unser Autor Julius Becke - er wohnte damals am Kickerlingsberg, am Zoologischen Garten - erinnert sich:

 

Wir sammelten sie wie seltenes Erz. Flaksplitter, die zumeist nachts auf das Straßenpflaster klirrten. Entweder war auf Stanniolfolien, welche die Anglo-Amerikaner zur Täuschung abwarfen, geschossen worden, oder es hatte sich nur um eine abgedrängte Gruppe von Flugzeugen gehandelt.  Schon wieder Alarm. Runtergehen?  Obenbleiben? Wachliegen, hoffen, daß der Alarm wenigstens über eine Stunde geht, dann fällt morgen Mathe in der ersten aus. Diesmal wurde es anders. Im Radio war von starken Verbänden die Rede. Im direkten Anflug auf die Stadt. Kaum, daß wir im Keller waren, die ersten Detonationen. Wir wußten, es gab jede Größe von Bomben, bis hin zur Größe von Torpedos, Luftminen genannt. Und die Einschläge kamen näher. Schon war das scharfe Pfeifen niedergehender Bomben zu hören. Die Hausbewohner standen in Gruppen verteilt um die zwei Ausgänge. Hinausgehen oder drinnenbleiben, verschüttet oder zerrissen werden?

Mit einem ungeheuren Schlag schien alles beendet. Das Licht verlöschte, Putz fiel von der Decke, es roch nach Staub. Dann Stille. Der Donner kam nun von weither. Schließlich war eine einzelne Sirene zu hören. Aus einem anderen Stadtteil. Das Nebenhaus brannte. Ich sprang die Treppen zum Dachstuhl unseres Hauses hinauf. Auf Phosphor muß man viel Sand werfen. Und um Gottes willen kein Wasser draufschütten. Die Ziegel des Daches waren weggeblasen. Durch die Dachsparren hindurch sah ich die rote Glut über der Innenstadt. Wir waren noch einmal davongekommen.

 

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "Really the Blues. Eine Jugend 1927-1948" von Julius Becke,

erschienen 1999 in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung. Das Foto ist aus unserem 1996 erschienenen Buch "Ein Jahrhundert Leipziger Fußball 1883-1945". Die Zahlen entstammen dem Buch "Leipzig brennt", erschienen im Leipziger Lehmstedt Verlag.

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